Arbeiten auf Distanz – und trotzdem verbunden bleiben

«Wenn möglich im Homeoffice arbeiten»
(BAG 2020)

Unerwartet und unvorbereitet stellten viele Betriebe ihre Tätigkeiten seit letztem Februar auf Homeoffice um. Dies führte zu diversen Herausforderungen unter anderem auf technischer, organisationaler sowie sozialer Ebene. Viele technischen und organisationalen Themen sind inzwischen gelöst. Was wir jedoch je länger je stärker spüren, sind die Herausforderungen auf der persönlichen und sozialen Ebene. Wie organisiere ich mich, dass ich effizient arbeiten kann zu Hause? Wie halte ich Kontakte aufrecht? Gemeinsame Pausen, Mittagessen oder Feierabenddrinks, die im persönlichen Kontakt von spontanen Interaktionen leben und die Beziehungen stärken, verkommen virtuell zu eher stummen, leicht gequälten Runden und werden häufig nach ein bis zwei Versuchen aufgegeben. Möglichkeiten, beiläufig auch noch mitzubekommen, was andere Teams der gleichen Firma gerade beschäftigt, fehlen oft komplett, wenn die ganze Belegschaft im Homeoffice arbeitet. Wie in unserem letzten Blogeintrag bereits erwähnt, besitzen wir Menschen ein natürliches Bedürfnis nach Nähe und Bindung.

Wie können wir nun trotzdem im Homeoffice miteinander verbunden bleiben?
Es gibt verschiedene Blickwinkel, mit welchen wir uns dieser Thematik annähern können. Wir könnten z.B. die verschiedenen technischen Hilfsmittel und Apps sowie deren Möglichkeiten anschauen. Oder wir könnten Verhaltenstipps der digitalen Kommunikation betrachten oder das Thema Selbstmanagement im Homeoffice aufgreifen. Ich habe mich jedoch entschieden, mein Augenmerk auf die Motivation zu legen, denn da sehe ich einen wichtigen Reflexionspunkt. Nach dem bekannten Leistungs-Modell von Reinhard K. Sprenger (2005) geht es bei der Motivation um die drei Bereiche: wollen-können-dürfen. Im Kontext der Führungskraft-Mitarbeitenden Beziehung ist die Dimension «Wollen» vorwiegend in der Verantwortung der Person. Bezogen auf die Arbeit im Homeoffice heisst das, dass die Bereitschaft, auf Distanz verbunden zu bleiben bei jedem Einzelnen liegt. Das «Können» liegt sowohl in der Verantwortung der einzelnen Person wie auch bei der Führungskraft. In unserer Thematik bedeutet dies, dass die Einzelnen sich die Kompetenzen aneignen, um die technischen Hilfsmittel gut bedienen zu können, dass die Führungskraft sie diesbezüglich aber anregt und unterstützt. Die Dimension «Dürfen» liegt hingegen vorwiegend bei der Führungskraft. Diese ist dafür verantwortlich, dass es geeignete Vorgaben, technische Hilfsmittel, Regeln und weiteres mehr gibt, damit ein Austausch trotz Distanz möglich wird.

«Ich will!» – Die Bereitschaft des Einzelnen
Hand aufs Herz: Sind Sie wirklich bereit, sich auf die digitale Kommunikation einzulassen? Sich digital führen zu lassen? Oder ihr Team aus der Distanz zu führen?
Vielleicht denken Sie jetzt, dass Sie sich das nicht ausgesucht haben, sondern MÜSSEN! Das stimmt natürlich. Trotzdem haben wir grundsätzlich in jeder Situation die Wahl. Wir könnten zum Beispiel auch entscheiden, nach Neuseeland auszuwandern, wo es derzeit möglich ist, vor Ort zu arbeiten. Klingt wahrscheinlich verrückt, zeigt aber auf, dass es Wahlmöglichkeiten gibt, diese jedoch auch entsprechende Konsequenzen mit sich ziehen. Es ist daher hilfreich, auch in der aktuellen Situation eine bewusste Entscheidung zu treffen. Dafür helfen reflektive Fragen, wie beispielsweise:

  • Kann ich mir vorstellen, die digitale Kommunikation positiv zu gestalten? Mich über digitale Kanäle führen zu lassen oder selbst zu führen? Wenn nein:
  • Was stört mich an der digitalen Kommunikation genau? Kann ich das eventuell verändern? Wenn nein, bin ich bereit, mir ein anderes Umfeld zu suchen? Wenn ebenfalls nein, ist es an der Zeit, mit dem Thema Frieden zu schliessen und die aktuelle Situation ganz bewusst anzunehmen.
  • Was hindert mich persönlich, mich darauf einzulassen? Stecken eventuell verinnerlichte Sätze wie «Führung funktioniert nur im persönlichen Kontakt» oder «so technisches Zeug trägt zur Verrohung der menschlichen Werte bei» dahinter? Spüren Sie diesen nach und verändern Sie hinderliche Denkmuster.
  • Was brauche ich, dass es mir trotz der Kontakteinschränkungen gut geht? Wie lässt sich das organisieren?

«Ich kann!» – Digitale und kommunikative Kompetenz
Wie steht es mit Ihren digitalen Fertigkeiten? Können Sie die vielen technischen Möglichkeiten passend nutzen? Oder fehlt es Ihnen an entsprechendem Wissen? Wieviel wissen Sie über die Kommunikation mit den verschiedenen Kanälen? Es lohnt sich, hier genau hinzuschauen, bei sich selbst, aber auch bei Ihren Mitarbeitenden. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten wie Webinare, Literatur, kollegiale Unterstützung etc. um solche Wissenslücken zu schliessen. Denn auch der Umgang mit den digitalen Medien sowie die Kommunikation und Führung über verschiedene Kanäle will gelernt sein.

«Ich darf!» – klare Regeln
In vielen Betrieben gibt es formelle und informelle Pausenregelungen sowie weitere Gefässe, um sich persönlich auszutauschen. Fehlt der persönliche Kontakt stellt sich die Frage, wie diese wichtigen Informationsquellen weiterhin verfügbar sind. Es hat sich in den letzten Monaten gezeigt, dass sich ein eins-zu-eins Transfer von persönlichen Treffen in den digitalen Raum nur mit mässigem Erfolg realisieren lässt. Führungskräfte, aber auch Mitarbeitende tun gut daran, zu überlegen, wie sie trotz der Distanz den Austausch pflegen können und welche Regeln es dafür braucht. Nach meiner Erfahrung funktioniert der Kontakt in kleinen zweier oder dreier Gruppen auch digital recht gut. Je mehr Personen jedoch dabei sind, desto stummer wird die Diskussion. Daher könnte man in einem Team oder auch Unternehmen die Abmachung treffen, dass sich jede Person pro Tag mit zwei anderen zu einer virtuellen Pause trifft. Vielleicht sind auch andere Formen möglich, wie physische Spaziergänge zu zweit, wie es beispielsweise auch das Konzept des «coaching-by-walking» nutzt. Ich ermutige Sie dazu, mit diesen Ideen zu spielen und für Ihr Team passende Lösungen zu erarbeiten sowie klar zu regeln.

Die aktuelle Pandemie hat unsere bisherigen beruflichen Zusammenarbeitsformen von einem Tag auf den anderen verändert. Um unserem Bedürfnis nach Verbindung trotzdem gerecht zu werden, lohnt es sich, offen zu sein und kreativ neue Lösungen zu generieren. Denn in einem ist die Menschheit stark: sich zu verändern und sich fortlaufend an die Umwelt anzupassen.

Franziska Steiner, Personalentwicklerin

Literatur:
Sprenger, R.K. (2005). Motivation. Buchreihe 30 Minuten. 8. Auflage. Offenbach: Gabal Verlag GmbH
Bild von Jagrit Parajuli auf Pixabay
Bundesamt für Gesundheit BAG: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/so-schuetzen-wir-uns.html, abgerufen am 20.11.2020

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