Gerne älter werden

Als ich letztes Jahr 55 wurde, kam in mir ein ähnliches Gefühl auf, wie als ich 25 geworden bin. Damals sagte ich zu mir: Ab dem nächsten runden Geburtstag bist du definitiv nicht mehr jung! Nutze die Zeit, um richtig erwachsen zu werden… Diesmal habe ich zu mir gesagt: Ab dem nächsten runden Geburtstag bist Du definitiv alt. Die Quittung kam mit der nächsten Zufriedenheitsumfrage: Plötzlich musste ich bei der Altersangabe das letzte Kästchen ankreuzen. Da tat sich ein weiter Raum vor meinen Augen auf. Weite wie ich sie mag, mit Platz für viele Optionen, Entdeckungen, Ruhe, Selbstbestimmung und neue Aktivitäten, oder auch nicht. Ganz wie ich will.

Als dann meine gute Freundin Jeanette zu mir sagte, ich sei ja noch jung, fand ich das nachgerade eine Frechheit. Nun hatte ich schon so viele Jahre gelebt, so vieles gemacht, Naturereignisse wie geboren werden und gebären überlebt, die Jahre der oft planlosen Erziehungsaktionen meiner Eltern erlebt, mit den Entwicklungen im Kindesalter und der Pubertät meiner Kinder gefiebert, bis zum vor Müdigkeit umfallen in Job und Haushalt gearbeitet. Und da sollte ich noch jung sein! Hormongeschüttelt auf mein Aussehen achten, um ja nicht den idealen Partner zu verpassen, vor jeder neuen beruflichen Herausforderung von Zweifel geplagt werden, ob dem Genügen meiner Kompetenz und Leistung, ständig darauf bedacht sein, mitzuhalten in Bezug auf den letzten technologischen oder modischen Schrei, tolle Netzwerke, die super Wohnung, ultimative Ferien, etc. etc.? Nein danke! Nicht nochmals.

Die liebe Gesundheit

Ich versuchte meine Begeisterung für den Freiraum beim älter werden im gleichaltrigen Freundinnenund Bekanntenkreis an Frau und Mann zu bringen, ohne Erfolg. Beim Nachfragen kam jedes Mal die gleiche Antwort: «Ja, das ist schon gut, wenn nur…» Wenn nur, was? «…die Bresten nicht wären. » Welche Bresten? Es stellte sich heraus, dass diffuse, unangenehme Schmerzen an verschiedenen Orten, in den Fingern, am unteren Rücken, im Nacken den Alltag schwer machen. Das erinnerte mich an mein rechtes Knie. Kurz nach fünfzig begann es manchmal zu schmerzen. Dann ging der Schmerz wieder weg. Und kam wieder, manchmal stärker, manchmal schwächer. Unangenehm. Da der Schmerz aber immer wieder verschwand, fand ich keinen Grund zum Arztbesuch. Ich versuchte es mit einem Fussbett im Schuh. Wohltuend beim Laufen, aber ohne Einfluss auf mein Knie.

Vor knapp zwei Jahren bin ich nach einem Städteaufenthalt in Wien mit viel Knieschmerz, beim Heimlaufen über den Trottoirrand gestolpert und habe mir den rechten Fuss verstaucht. Sechs Wochen Schiene, Krücken etc. Nach zwei Monaten tat der blöde Fuss noch immer weh. Okay, dann also doch professionelle Hilfe. Ich machte einen Termin bei meinem Freund Pierre aus. Als ehemaliger Profitänzer und mittlerweile erfahrener Masseur wusste er sicher, was das Problem meines Fusses war. Pierre fand heraus, dass ich meinen Fuss beim Laufen immer einige wenige Millimeter hochzog und damit auch die Muskeln im Fuss, im Bein und im Knie, aber auch im unteren Rücken und der Schulter. Sie waren immer angespannt. Wenn keine entsprechende regelmässige Entspannung stattfindet, dann wird der Muskel hart und beginnt mit der Zeit zu schmerzen, diffus. Das ist seine Art der Kommunikation, ein bisschen introvertiert, doch recht klar. Pierre massierte die Muskeln und ich lernte neu laufen: Gewicht gleichmässig auf beide Füsse verteilen, Schultern runter, Füsse abrollen. Und der Schmerz ging weg, im Fuss und im Knie! Gleichzeitig fragte mich Pierre, was ich denn für meinen Körper tue? Er gab mir einen kleinen Übungsablauf, der der Beweglichkeit und dem Energiefluss im Körper dienen sollte. Für den täglichen Gebrauch. Dann halt, zuerst widerwillig machte ich nun jeden Tag diese Übungen. Ich entdeckte noch andere harte Muskeln an Orten, die ich gar nicht vermutet hätte, wie im Nacken oder im Kieferbereich, am Bauch, usw. Ich begann auch dort zu drücken, zu massieren und loszulassen. Ich bin neugierig geworden, was mich immer wieder dazu bringt auf Internet die Bilder der betroffenen Regionen mit ihren Muskeln zu betrachten. Es ist spannend zu entdecken wie viele Schichten Muskeln es wo gibt, in welche Richtung sie laufen und was sie verbinden.

Heute mache ich die Übungen mit meinem Körper morgens nach dem Aufstehen gerne! Ich merke, wie sie meine Energie ankurbeln und mich meine Aufgaben des Tages mit leiser Freude anpacken lassen. Ich bin ruhiger geworden und wie meine Muskeln entspannter und flexibler. Und anscheinend effizienter, bezeugen meine schwindenden Überstunden. Genauso stelle ich mir meine Freiräume vor: interessant, entspannt, mit neuen Entdeckungen, wie bspw. das Funktionieren eines Körpers. Und das ohne Bresten! Das wünsche ich auch euch, liebe Leserinnen und Leser.

Claudia Buol
Organisationsberaterin

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