«Eigentlich bin ich nicht wichtig.» Glaubenssätze und wie sie unser Verhalten prägen

Letzthin erzählte mir eine Kollegin, die Mitglied der Geschäftsleitung einer kleineren Unternehmung ist, folgende Begebenheit:

Bei einer langjährigen Kundenbeziehung hatte sie es mit dem Chef zu tun und die beiden waren sich hinsichtlich eines Punktes nicht einig. Anstatt wie sonst ihre Position sachlich darzulegen, fing sie in diesem Gespräch an, an sich selbst zu zweifeln, und stellte innerlich ihre eigene Kompetenz in Frage. Im Nachhinein ärgerte sie sich über ihr Verhalten und konnte nicht recht verstehen, warum sie so unsicher agiert hatte.

Vermutlich kennen Sie das auch. Normalerweise packen Sie Herausforderungen mit einer rationalen und lösungsorientierten Denkweise an, können logische Schlüsse ziehen und Risiken sowie Wirkfaktoren abschätzen. Manchmal jedoch reagieren Sie mehr emotional und können im Nachgang wenig verstehen, warum. Es scheint, dass wir verschiedene innere Programme haben, die aktiviert werden können und unser Verhalten steuern. Je nachdem welches Programm gerade «in Aktion» tritt, handeln wir überlegter oder spontaner, egoistischer oder empathischer etc.

Wer bin ich denn eigentlich?

Die Frage «Wer bin ich?» ist eine der Fragen, mit der sich bereits die antiken Philosophen auseinandersetzten und die bis heute aktuell ist. Richard David Precht hat sein Buch darüber meiner Meinung nach sehr treffend betitelt: «Wer bin ich – und wenn ja wie viele?». Es zeigt sich in verschiedensten Bereichen immer wieder, dass die menschliche Psyche ein komplexes Konstrukt ist und sich nicht einfach kategorisieren lässt. Auch in der Psychologie gibt es verschiedene Ansätze mit unterschiedlichen Betitelungen. So wird beispielsweise in der Transaktionsanalyse von Eric Berne vom Erwachsenen-Ich, dem Kind-Ich und dem Eltern-Ich gesprochen. Bei Friedemann Schulz von Thun gibt es ein ganzes Team an inneren Mitgliedern, die je nach Situation unterschiedlich in Erscheinung treten. Stefanie Stahl hingegen unterscheidet in ihrem bekannten Buch: «Das Kind in dir muss Heimat finden» «nur» zwischen dem inneren Kind und dem inneren Erwachsenen.

Bei den erwähnten Sichtweisen erachte ich zwei Punkte als zentral:

  1. Es gibt in uns tief verwurzelte Muster, die in der Regel unbewusst sind, jedoch unser Verhalten steuern. Diese werden oft einem kindlichen Teil zugeschrieben, einerseits weil sie meistens in der Kindheit geprägt wurden, andererseits weil ein Kind spontan agiert.
  2. Es braucht eine bewusste Führung, welche die verschiedenen inneren Stimmen wahrnimmt und entsprechend lenkt.

Tief verwurzelte Muster oder sogenannte Glaubenssätze

Insbesondere in der Kindheit lernen wir, wie wir uns zu verhalten haben, was von uns erwartet wird und wie wir Beziehungen zu anderen gestalten. Dabei prägen wir unterschiedliche Glaubenssätze, welche Aussagen über uns enthalten. Einige bestärken uns wie beispielsweise: «Egal was kommt, ich finde eine Lösung», andere hingegen sind im Erwachsenenalter hinderlich, wie z.B. «ich bin sowieso zu dumm dafür». Im Laufe der Zeit automatisieren wir solche Muster und nehmen diese nicht mehr bewusst wahr. Sie können jedoch ganz schnell aktiviert werden, wenn wir uns in einer bestimmten Situation befinden. So könnte meine Kollegin aus dem Anfangsbeispiel in der Kindheit gelernt haben, dass sie dominant auftretenden Personen unterlegen ist. Kommt sie nun in Kontakt mit einer Person, die in ihren Augen das bestimmte Verhalten von damals widerspiegelt, springt automatisch ihr Programm «ich bin falsch» an. Solche Prozesse laufen sehr schnell und unbewusst ab und es braucht eine vertiefte Auseinandersetzung mit sich selbst, um diese zu entlarven und anschliessend verändern zu können.

Innere Führung

Um immer öfter aus einer bewussten und souveränen Haltung heraus handeln zu können, hat es sich hilfreich erwiesen, eine innere Instanz zu fördern, welche die verschiedenen inneren Programme führt. Stefanie Stahl beschreibt diese in ihrem Buch als den inneren Erwachsenen, der liebevoll mit dem inneren Kind umgeht und die hinderlichen Glaubenssätze zu verändern mag. Friedemann Schulz von Thun spricht von einem Oberhaupt, das analog zu einem Vorgesetzten das innere Team führt, die verschiedenen Mitglieder anhört und Lösungen aushandelt.

Gerade wenn Sie merken, dass Sie sich in bestimmten Situationen immer wieder ähnlich verhalten und sich dieses Verhalten als wenig hilfreich erweist, lohnt es sich, einmal genauer die inneren Vorgänge zu betrachten. Vielleicht erkennen Sie für sich selbst oder auch innerhalb eines Coachings eigene Glaubenssätze, die Sie als erwachsene Person nun verändern können.

Franziska Steiner

Lic.phil. Psychologin

Literatur:

Precht, Richard David. 2007. Wer bin ich – und wenn ja wie viele? Goldmann, DE

Stahl, Stefanie. 2015. Das Kind in dir muss Heimat finden. Kailish Verlag, München

Schulz von Thun, Friedemann. 2018. Miteinander reden: 3. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg

Bilder: pixabay: LuidmilaKot, Johnhain

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