Embodiment: Wie unser Körper unser Denken und Fühlen beeinflussen kann

Vor einiger Zeit habe ich mich in einem Kurs etwas mit der menschlichen Anatomie auseinandergesetzt und dabei mit Entsetzen festgestellt, wie wenig ich eigentlich darüber weiss, wie der eigene Körper funktioniert. Darüber habe ich mit Freunden gesprochen und gemerkt, dass es vielen so geht. Obwohl unser Körper der sichtbare Teil von uns ist, schenken wir ihm im Alltag oftmals kaum Beachtung. Meistens räumen wir unserem «Denken» eine Vormachtstellung ein, getreu dem Satz von René Descartes: «Ich denke, also bin ich». Oder wir lassen uns von unseren Gefühlen leiten, etwa wenn wir vor Freude tanzen. Den Körper hingegen nutzen wir in der Regel mehr als Instrument, um Handlungen auszuführen, wie der eben erwähnte Freudentanz.
Denken, fühlen und handeln bilden jedoch eine Triade und beeinflussen sich wechselseitig. Die Veränderung auf einer Ebene hat stets einen Einfluss auf die anderen Ebenen. Beispielsweise führt das Denken an ein besonders schönes Urlaubserlebnis meist zu einem angenehmen Gefühl im Körper und zeigt sich auch an einem Lächeln im Gesicht. Über die sogenannte nonverbale Kommunikation drückt unser Körper also das aus, was wir denken und fühlen. Dies ist uns bei einem Gegenüber geläufig und wir erkennen in der Regel gut, ob ein anderer Mensch beispielsweise gerade intensiv über etwas nachdenkt, entspannt oder wütend ist.

Der Körper als wichtiger Informant

Unser Körper ist jedoch nicht nur einfach «Befehlsempfänger» des Gehirns, der die von den Nerven übertragenen Impulse in die gewünschten Bewegungen übersetzt. Er ist auch ein ganz wichtiger Informant für das Gehirn. Haben Sie sich beispielsweise schon mal überlegt, warum wir problemlos mit geschlossenen Augen ein Glas Wasser anheben, zum Mund führen und trinken können? Oder warum wir normalerweise nicht aus dem Bett fallen, wenn wir schlafen? Für all dies ist unsere Propriozeption zuständig, welche auch als sechster Sinn bezeichnet wird. Sogenannte Propriozeptoren nehmen die aktuelle Lage, Muskelspannung, die Stellung der einzelnen Sehnen, Muskeln und Knochen zueinander etc. wahr und senden diese Informationen ans Gehirn. Dadurch können wir uns im Raum orientieren. Und noch mehr: Unser Gehirn weiss auch sehr genau, welche Körperhaltung zu einem bestimmten Gefühl gehört und welche Gedanken dazu gekoppelt sind. Hierzu ein kleines Experiment: nehmen Sie eine traurige Haltung ein, indem Sie den Kopf und die Schulter hängen lassen, den Blick senken und eine eher ausdruckslose Mimik aufsetzen. Verweilen Sie einen Moment in dieser Haltung und beobachten Sie sich: was fühlen Sie? Welche Gedanken kommen hoch?
In der Regel werden Sie sich nur durchs Einnehmen einer traurigen Haltung auch traurig fühlen und eher deprimierende Gedanken haben. Richten Sie sich hingegen bewusst auf und nehmen Sie eine stolze Haltung ein, wirkt sich allein diese Veränderung der Haltung auch wieder auf ihr Denken und Fühlen aus. Und dieser Umstand lässt sich auch nutzen, um bewusst eine Veränderung im Befinden herbeizuführen.

Den Einfluss des Körpers gezielt nutzen

Im Alltag sowie auch in Coachings versuchen wir oft, über die Gedanken, eine Veränderung im Handeln und Fühlen zu erreichen. So sprechen wir uns selbst vor einer schwierigen Situation Mut zu oder arbeiten im Coaching gezielt mit hinderlichen Glaubensätzen; also mit verinnerlichten, hemmenden Gedanken wie zum Beispiel «dafür bist du zu dumm». Eine andere Möglichkeit ist jedoch, bewusst den Körper in eine gewisse Haltung zu bringen und dadurch unser Denken und Fühlen zu beeinflussen. Hier einige Beispiele dafür:

  • Vor einem wichtigen Auftritt, bei dem man vielleicht nervös ist, hat es sich bewährt, für einige Minuten die sogenannte «Chef-Position» einzunehmen. Hierfür überkreuzen Sie die Hände am Hinterkopf und spreizen die Ellbogen. Gleichzeitig sitzen Sie mit ausgestreckten Beinen lässig auf dem Stuhl und lehnen sich an. Bleiben Sie einige Minuten in dieser Position und atmen Sie ruhig. Wie fühlen Sie sich?
  • Das eigene Selbstbewusstsein kann man auch stärken, indem man sich aufrichtet, insbesondere die Schultern setzt und dadurch die Brust etwas nach vorne treten lässt sowie einen geraden Blick einnimmt. Nichts anderes ist gemeint, wenn der Spruch «aufstehen, Krone richten und…» irgendwo auftaucht, denn es wird schwierig, die Krone zu richten, wenn man eine gebeugten und kopfhängende Haltung einnimmt.
  • Es ist auch ratsam, aufzustehen und eine Runde spazieren zu gehen, wenn man länger über ein Problem brütet und nicht weiterkommt. Denn die dabei häufig leicht geduckte Sitzhaltung signalisiert dem Gehirn eine Stresssituation, was unsere Problemlösefähigkeiten einschränkt.
  • Bei häufiger, harter Selbstkritik lohnt es auch, sich täglich mindestens einmal im Spiegel anzulächeln. Was ebenfalls funktioniert: sich selbst sanft zu umarmen und leicht zu drücken, um sich getröstet zu fühlen.

Das bewusste Einnehmen einer bestimmten Körperhaltung führt sehr unmittelbar zu einer Veränderung des eigenen Gefühls sowie der Gedanken und ist zudem meist einfach zu bewerkstelligen. Probieren Sie es aus.

Franziska Steiner
lic. phil. Psychologin, Personalentwicklerin

Bild: www.pixabay.ch

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