Back to or not back to …

Es ist die Geschichte vom Volk der Gewohnheitstiere, die vor jetzt bald schon 1,5 Jahren aus ihrem Gebiet verjagt wurden und sich neue Nist- und Futterplätze suchen mussten. Einige mussten länger suchen, andere fanden schneller ihr Plätzchen. Nach einer gewissen Zeit hatten sich aber die meisten einigermassen in ihren Homeoffice-Nestern eingerichtet und haben sich neue Routinen erarbeitet. Es kamen Wellen um Wellen, doch dann kam die Zeit wo sich alles wieder beruhigte und was passierte dann? Von überall her schallte der Ruf, dass es nun wieder back to the «office» roots gehen muss. Es sollte alles wieder normal laufen. Aber von welcher Normalität sprach man? War das Neue nun normal oder noch das Alte? Man stellte sich folgende Frage: Genügen eineinhalb Jahre, um eine neue Normalität zu schaffen oder überleben alte Normen länger? Der Grosse Rat der Gewohnheitstiere stand vor einer schwierigen Entscheidung: Verlegen wir die Gewohnheitstiere zurück in ihr ehemaliges Gebiet oder lassen wir sie in ihrem neuen Revier?

Was würden Sie dem Grossen Rat raten?

Ich würde ihn darauf hinweisen, dass die Antwort davon abhängt, wie lange ein Gewohnheitstier – das wir hier auch Mensch nennen können – braucht, um sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen. Aus einer Studie des University College in London, die die Gesundheitspsychologieforscherin Phillippa Lally et al. veröffentlicht hat, geht hervor, dass es im Durchschnitt mehr als zwei Monate dauert, bevor ein neues Verhalten automatisch wird. 66 Tage, um genau zu sein. Und wie lange es dauert, eine neue Gewohnheit zu bilden, kann je nach Verhalten von Mensch zu Mensch und von den Umständen stark variieren. In Lally’s Studie, dauerte es überall von 18 Tage bis 254 Tage für die Menschen, um eine neue Gewohnheit zu bilden. So gibt es auch in der aktuellen Situation Menschen, die seit Monaten in den Startlöchern stehen, um sich ihren Platz im Büro zurückzuerobern, andere wiederum krallen sich buchstäblich zu Hause am neu erworbenen Bürotisch fest. Die Chefs würden ihre Mitarbeitenden gerne wieder mehr sehen, Mitarbeitende argumentieren, dass sie zu Hause effizienter und, durch das Wegfallen des Pendelns, auch mehr arbeiten können.

Die achte Corona Umfrage der SRG zur Haltung der Menschen zum Homeoffice hat ergeben, dass sich 74°% der Befragten für eine Mischform aussprechen. 13 Prozent möchten nur noch daheim arbeiten – ebenso viele Befragte würden allerdings lieber schon heute als erst morgen ins Büro zurückkehren.

Das Wichtigste ist in meinen Augen aber in erster Linie nicht, wie man Homeoffice und Büropräsenz aufteilt, sondern vor allem, wie man dies in der Praxis umsetzt. So überstürzt wie man vom Büro ins Homeoffice umziehen musste, so schnell darf die Rückkehr nicht ablaufen. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen und nicht übereilt zu agieren. Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer müssen sich wieder aneinander und an die Arbeitsumgebung gewöhnen. Menschen, die eher introvertiert sind und die grössere Distanz, die das Homeoffice geboten hat, geschätzt haben, müssen sich wieder mit der Nähe und die Lautstärke der Grossraumbüros anfreunden. Jene die jeden Tag grosse Distanzen überwinden mussten, um zur Arbeit zu gelangen, müssen sich wieder an die vollen Pendlerzüge gewöhnen. Andere haben aber eben genau diesen Arbeitsweg, der es ihnen erlaubt einen klaren Schnitt zwischen Arbeit- und Privatleben zu vollziehen, vermisst. Weiter gibt es jene, die Angst vor einer Ansteckung oder aber der Impfung haben und viele viele mehr. Arbeitgeber müssen all diesen unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen, genauso müssen aber auch Arbeitnehmer eine gewisse Flexibilität beweisen. Gegenseitige Perspektivenübernahme bei gleichzeitiger Wahrung des gesunden Menschenverstandes ist hier gefragt.

Wir empfehlen das mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter ein Rückkehrgespräch geführt wird, in welchem das, was war, wertgeschätzt wird und Abmachungen für die zukünftige Zusammenarbeit getroffen werden. Die Mitarbeitenden sollen die Möglichkeit haben, ihren Schwerpunkt sukzessive wieder von zu Hause auf das Büro zu verlegen. Einige werden mehr andere weniger Zeit dafür brauchen. Die Erwartungen von Seiten des Managements müssen klar formuliert sein und last but not least braucht es verstärkte Kommunikation und gegenseitige Information, um den Übergang zurück ins Büro zu erleichtern.

Die Geschichte, die ich anfangs erzählt habe, bleibt vorerst ohne Antwort, sie ist noch nicht zu Ende geschrieben. Wir stehen noch am Anfang, der Ausgang ist ungewiss. Gewiss ist aber eines, nämlich dass wir einen erheblichen Einfluss auf deren Verlauf haben – nutzen wir diesen!!!

Caroline Christen

lic. phil Psychologin
Mitglied der Geschäftsleitung

Quelle:
Lally, P., van Jaarsveld, C. H. M., Potts, H. W. W. & Wardle, J. (2010). How are habits formed: Modelling habit formation in the real world. European Journal of Social Psychology, 40 (6), 998-1009.

Bild: www.pixabay.ch

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