Immer schön sachlich bleiben! Oder: Wie viel Gefühl verträgt ein Büro?

Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass Teams und insbesondere Führungskräfte viel Energie darauf verwenden, Emotionen im Büroalltag möglichst zu minimieren. Getreu der (durchaus sinnvollen) Empfehlung versuchen wir auch kritische Rückmeldungen immer schön sachlich, in «Ich-Botschaften» zu übermitteln und mit vielen Beispiele aus dem beruflichen Alltag zu belegen. Dennoch ist das Erstaunen über auftretende Missverständnisse und Kommunikationsschwierigkeiten jeweils gross.

«Wenn Sie das nicht schaffe, muss ich mir weitere Alternativen überlegen»

«Der Kunde hat uns den Auftrag nicht erteilt, weil Sie ihn nicht richtig informiert haben»

Die obenstehenden Sätze scheinen auf den ersten Blick korrekt und zielführend formuliert. Da werden schön sachlich, direkt und aus der eigenen Perspektive heraus gewisse Erwartungshaltungen formuliert. Und dennoch scheinen mögliche Reaktionen, wie beispielsweise Widerstand oder eine patzige Reaktion vom jeweiligen Empfänger dieser Botschaft vorprogrammiert. Welche Rolle spielen die Emotionen in unserer Kommunikation? Und wie können wir diese zielführend darin integrieren?

Vermutlich rührt der Wunsch, im Büroalltag mit möglichst wenig Emotionen auszukommen, daher, dass wir befürchten, dass es anstrengender und vor allem unkontrollierbarer sein kann, wenn Gefühle deutlich gezeigt und spürbar werden. Emotionen kosten scheinbar Zeit, das Meeting könnte länger dauern, uns vom Thema und der Zielerreichung abbringen…

Emotionale Agilität

Dabei ist das Gegenteil der Fall: Ein Kriterium erfolgreicher Teams ist häufig, dass sie erkennen, dass es gerade Emotionen sind, die sie weitergebracht haben. Die Agilität der Emotionen, also deren Beweglichkeit, ist eine wichtige Kompetenz in der Kommunikation und Zusammenarbeit in Teams. Es ist gerade in der heutigen, schnelllebigen Zeit, in der viele Kontexte der Arbeit zunehmend digitalisiert sind, von zentraler Bedeutung, die eigenen Gefühle und die Gefühle des Gegenübers wahrzunehmen und produktiv mit ihnen umgehen zu können. Eine weitere wichtige Funktion von Gefühlen ist, dass sie verbinden und Brücken bilden können. Wenn Teammitglieder und Mitarbeitende merken, dass Gefühle nicht nur wahrgenommen sondern auch angemessen berücksichtigt werden, kann eine echte Beziehung entstehen, welche wiederum eine solide Basis für den offenen Umgang mit Fehlern, mit Fragen und mit Feedback darstellt. Und als letzter Punkt betreffend unseren Emotionen im Büroalltag: Gefühle sind wesentliche Bestandteile unseres Mensch- Seins. Sie zeichnen uns als empfindsame und mitfühlsame Wesen aus. Auch sonst kämen wir nicht auf die Idee, eine solche zentrale Eigenschaft beim Betreten des Büros einfach abzugeben. Der konstruktive Umgang mit positiven wie auch negativen Emotionen ist eine grosse Bereicherung, und ein Instrument, welches wir oft nur wenig systematisch einsetzen.

Wie können wir Emotionen zielführend kommunizieren?

Ein wichtiges Werkzeug, um Gefühle konstruktiv und zielführend zu kommunizieren, bietet meiner Meinung nach die gewaltfreie Kommunikation, welche im Business Kontext auch unter dem Konzept der „Wertschätzenden Kommunikation“ bekannt ist. Das Modell der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg besteht aus vier grundlegenden Schritten.

1. Beobachtung: Sie beobachten eine Situation oder Handlung, ohne sie zu bewerten.

Als erstes beobachten wir, was in einer bestimmten Situation tatsächlich geschieht: Was hören wir den anderen sagen, was sehen wir, dass er tut? Das Entscheidende dabei ist, diese Beobachtung von jeder Form der Bewertung zu trennen.

2. Gefühl: Sie sprechen an, wie sie sich bei einer bestimmten Handlung fühlen.

Im zweiten Schritt drücken wir unsere Gefühle aus, die durch das, was wir beobachtet haben, in uns ausgelöst wurden. Wir können uns fröhlich, begeistert, hingerissen und überglücklich fühlen- aber auch frustriert, besorgt, traurig oder ängstlich.

3. Bedürfnis: Sie teilen mit, welches Bedürfnis erfüllt oder unerfüllt ist.

Hinter jedem Gefühl steckt ein Bedürfnis- eines das erfüllt, oder eines, das nicht erfüllt wurde. Sind wir unserer Gefühle bewusst, führen sie uns auf direktem Wege zu unseren Bedürfnissen. Diese dienen dem körperlichen, sozialen und emotionalen Überleben und gelten daher uneingeschränkt für alle Menschen.

4. Bitte: Sie stellen eine konkrete handlungsorientierte Bitte.

Der vierte Schritt ist das Formulieren einer Bitte: Was kann mein Gegenüber tun, um unser Bedürfnis zu erfüllen und unsere gemeinsame Lebensqualität zu verbessern? Wie können wir selbst zur Erfüllung unseres Bedürfnisses beitragen? Neben der konkreten Methode stellt die gewaltfreie Kommunikation auch eine damit verbundene Haltung dar: Es wird unterschieden zwischen der Selbsteinfühlung und der Einfühlung in den anderen, wobei wir uns in dessen Situation hineinversetzen und durch einfühlsames Zuhören und Fragen offenlegen, was dieser fühlt und braucht. Die im vierten Schritt geäusserten Bitten sind verhandelbar, was uns die Flexibilität ermöglicht, aus verschiedenen Strategien diejenige herauszufinden, die die Bedürfnisse beider Seiten bestmöglich erfüllt.

Über die Anwendung gewaltfreier Kommunikation im Büroalltag

Gewaltfrei Kommunizieren bedeutet nun nicht, das Vier-Schritte-Modell in jeden Dialog einzubauen. Entscheidend ist, die Haltung und das Vorgehen zu verstehen und zielgerichtet einsetzen zu können. In diesem Sinne ist die gewaltfreie Kommunikation wie eine ergänzende Fremdsprache zu verstehen, welche in einem Prozess erlernt wird und eine Bereicherung zum bisherigen Sprachgebrauch darstellt. In diesem Sinne freue ich mich, wenn Sie durch diesen Artikel ermutigt werden, ihre Emotionen nicht an der Bürotür abzugeben. Wir begleiten Sie gerne bei der Weiterentwicklung ihrer kommunikativen Fähigkeiten!

Nina Oehler
M. Sc. Psychologin, Personalentwicklerin

Quellenangaben:
Brüggemeier, B.(2017). Wertschätzende Kommunikation im Business: Wer sich öffnet, kommt weiter. Junfermann Verlag, Paderborn.
Pasztor, S. & Gens, K.D. (2010): Mach doch, was du willst! Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz. Junfermann Verlag, Paderborn.
Venus, G., Sichart, S. Preussig, J., Lange de Angelis, A. (2019). Kommunikation in agilen Zeiten. Wie innovative Zusammenarbeit gelingt. Haufe Group Verlag, Freiburg, München, Stuttgart.
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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